Hans Werner Thurmann – Freischaffender Maler
Pressespiegel
Titelgeschichte im Heimatkalender Kreis Wesel 1989
Reinhard Ermen
Malerei als Landschaft
Anmerkungen zum Titelbild von Hans Werner Thurmann
Die Vita des Künstlers ist auf den ersten Blick unscheinbar; Hans Werner Thurmann gehört nicht zu denen, deren Künstlertum an wehenden Locken und einer malerischen Verkleidung zu erkennen ist. 1950 wird er in Moers geboren und macht 1970 sein Abitur. Bis 1978 studiert er an der Düsseldorfer Kunstakademie, wo er 1976 sein Staatsexamen im Fach „Künstlerisches Lehramt für Gymnasien“ – so der offizielle Jargon des Kultusministeriums – ablegt. 1978 folgt das Fach „Kunstwissenschaft“. Die Entscheidung, das damit erworbene Anrecht auf den Lehrerberuf nicht wahrzunehmen, war ein guter Entschluß. Thurmann lebt als freischaffender Maler am Niederrhein, seit einigen Jahren in Neukirchen-Vluyn. Der Künstler kann von seiner Arbeit leben. Verschiedene Ausstellungen haben ihn vor allen Dingen am Niederrhein bekannt gemacht; auch in Köln wurden schon seine Arbeiten gezeigt. Der „Internationale Künstler-Club“ zeigte vor einigen Jahren eine Einzelausstellung in Wien im Palais Palffy.
Abgesehen von einigen wenigen Ausnahmen ist Hans Werner Thurmann Landschaftsmaler. Die Bezeichnung hat in Kreisen, wo von aktueller Kunst die Rede ist, keinen guten Klang. Allzusehr haftet dem Etikett der Ruf einer akademischen Disziplin an; ähnlich ginge es wohl auch einem Künstler, der sich „Porträtmaler“ bezeichnen würde. Wir dürfen zwar wieder gegenständlich malen, ohne uns vor der Avantgarde zu schämen – das zumindest ist ein gutes Ergebnis der jüngst an uns vorübergezogenen heftigen Malerei -, doch die Landschaft als primärer oder ausschließlicher Gegenstand ist nach wie vor verpönt. Schnell wird dabei vergessen, daß die moderne Malerei unter freiem Himmel in der Landschaft geboren wurde. Von der Entdeckung des natürlichen Lichts lebt ein großer Teil der Malerei im 20. Jahrhundert. Trotzdem gilt ein Maler, der noch mit der Staffelei ins Grüne zieht, als Anachronismus. Das sind Urlaubsvergnügen! Unsere Avantgarde malt fast ausschließlich im Atelier wie zu Zeiten des großen Franz von Lenbach.
Thurmann bekennt sich zu der Traditionslinie des Französischen Impressionismus. Ganz bewußt knüpft er bei den Ergebnissen des späten Claude Monet an; wie es scheint ein guter und sinnvoller Ansatz. Thurmann filtert seine Umgebung, und das ist hauptsächlich die Landschaft des Niederrheins, durch die Farbe. Bei seinen Bildern löst sich alles in farbigen Punkten auf, wobei das Punktraster nie Selbstzweck oder primärer Effekt ist. Das unterscheidet ihn ganz wesentlich von der Vorgehensweise der Pointillisten. Allerdings waren noch vor wenigen Jahren diese Punkte, aus denen sich das Bild summiert, klar voneinander getrennt, fast körperlich wie Bausteine. Heute verschwimmen die Flecken, ja die harten Kontraste seiner älteren Arbeiten lösen sich auf in fließenden Farbfeldern, welche die Landschaft in Malerei auflösen. Die Farben mischen sich auf der Leinwand, oder mehrere Farbpartikel ergeben mit einem gewissen Abstand zum Bild im Auge des Betrachters einen Farbton. Einzelne Leinwandsegmente sehen unter dem Vergrößerungsglas aus wie eine Palette. Trotzdem malt Thurmann nie mit wilder Geste, welche sich in dicken, unter dem Pinsel hervorquellenden Farbklumpen manifestiert. Die Malerei bleibt stets in der Fläche. Tiefe ist ein Ergebnis von Farbtönen, nicht von Farbkörperlichkeit.
Das ist wichtig, um Thurmanns Verhältnis zu seinem Gegenstand zu verstehen. Er malt eine Landschaft nicht, um sie abzubilden, sondern um die sich ergebenden Eindrücke zu sammeln. Der Betrachter kann eigene, vielleicht ganz andere Landschaftsimpressionen in ihnen wiederfinden. Es geht nicht darum, einen Ort wiederzuerkennen. Viel wichtiger als zum Beispiel die Landschaft des Niederrheins ist das Licht des Niederrheins. Ja, manchmal will es so scheinen als benutze der Künstler die Landschaft nur als Vorwand für seine Malerei. Der wiedergegebene Ort wird zum Muster, zum Schema, die Farbwerte zu setzen. Trotzdem ist der Gegenstand vorerst noch unverzichtbar, weil die Farbsumme getragen wird von der Macht der Illusion. Thurmanns Farbwelten brauchen den ordnenden Eindruck natürlicher Räume, von Natur und Sonnenlicht. Seine Farben sind allein mit Licht gebaut. Doch das Licht selbst ist auch abgebildet, so wie es den Raum verfremdet. Und manchmal ist es schon relativ schwer, die Malerei als Landschaft zu identifizieren. So sehr hat Thurmann sie in Licht und Farbe aufgelöst.
Das gilt – wenn auch nicht so extrem – für das Titelbild. Sicher, der Weg ist deutlich zu erkennen. Durch das bewegte Laub (ja, es scheint sich zu bewegen, schließlich ist der Maler kein Fotograf, bei dem ein Augenblick in einer hundertstel Sekunde gefriert) fällt Sonnenlicht und malt seine hellen Flecke auf den Grund. Das Laub vibriert in Blau-, Grün- bis Violettönen, der Weg ist übersät mit Farben, die sich auch in den Baumstämmen finden. Thurmann malt nicht einfach grünes Laub und braune Stämme. Wollte man eine Grundfarbe bestimmen, so wäre die vielleicht violett. Violett? Das ist nicht so sicher. Nach längerem Betrachten können die Impressionen verschwimmen, und der Hohlweg kann sich auflösen in ein vibrierendes Farbgewebe mit einem Sog in der Mitte… Und diese letzte Verbalisierung des „fortgeschrittenen“ Sehens ist fast schon die Beschreibung eines abstrakten Gemäldes.
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