Ingo Plaschke
Moers. Hans Werner Thurmann aus Moers arbeitet seit über 30 Jahren als Landschaftsmaler. Am Sonntag öffnet er sein Atelier.
Wenn ein Künstler in Moers an der Hoffnungstraße wohnt, dann muss das Absicht oder Schicksal sein. Hans Werner Thurmann schmunzelt und sagt: „Eher Zufall. Ich wohne wieder in dem Haus meiner Eltern.“ Eine schöne Adresse ist es trotzdem.
Der Empfang wirkt wie abgesprochen. Der Künstler drückt die Stahltür seines Ateliers auf und ein Gemisch von Farbe und Lösungsmittel dringt hinaus in den Garten hinterm Haus. Es ist halb elf, er hat bereits drei Stunden Arbeit hinter sich. „Das Licht am Morgen muss ich ausnutzen.“ Auf der Staffelei steht eine Leinwand. Rot, Gelb, Blau, Violett, helles und dunkles Grün. Die Farben verschwimmen zu Flächen, Sträucher vor einer Waldlichtung sind zu erahnen.
Über sein Werk zu sprechen, macht sich HW Thurmann, wie er sich selbst abkürzt, nicht einfach. Das Bild ist noch nicht fertig, es trägt auch noch keinen Titel. „Den suche ich immer zum Schluss.“ Bisher habe er kaum Zeit gehabt, über seine aktuelle Arbeit nachzudenken. Das klingt abwehrend, andererseits auch sensibel und verletzlich.
Seine Ausbildung liest sich unverdächtig. 1970 Abitur auf dem Pädagogisch-Musischen Gymnasium in Uerdingen. Im Anschluss Studium an der Kunstakademie in Düsseldorf. 1976 Staatsexamen im Fach „Künstlerisches Lehramt für Gymnasien“. Zwei Jahre später im Fach „Kunstwissenschaft“. Als Pädagoge hat er nie gearbeitet. „Wer guten Unterricht machen will, braucht Zeit für die Vorbereitung“, findet er. Diese Zeit habe er als freischaffender Künstler nie gehabt.
Abgesehen von wenigen Ausnahmen, zuletzt das Porträt des Paters Georg vom Kloster Kamp, ist HW Thurmann ein Landschaftsmaler. Diese Berufsbezeichnung war bereits verpönt, als er damit anfing. Egal, der niederrheinische Dickschädel bleibt seit 32 Jahren seiner ureigenen Linie treu – und malt gegen Trends und die Moderne an.
Ein Beuys-Schüler,
aber …
Gelernt ist gelernt – HW Thurmann war in der Klasse von Joseph Beuys. Mittlerweile erzählt er unverkrampft, wer einst sein Professor war. Fügt aber immer noch hinzu: „Ich möchte mich damit nicht schmücken.“
Um Hans Werner Thurmann besser zu verstehen, diese Anekdote: Zum 20. Berufsjubiläum wollte er in der städtischen Galerie Peschkenhaus in Moers ausstellen. Er erhielt eine Absage, weil er sich nie an Sammelausstellungen beteiligt hatte. Dies wiederum begründete er in einem Zeitungsinterview: „Ich hatte keine Lust, meine Bilder neben offensichtlichen Dilettanten zu präsentieren.“ Dazu steht er im Prinzip noch heute.
HW Thurmann hat keinen Galeristen. Seine Galerie ist sein Atelier, „mein Lebenstraum“. 50 Quadratmeter, ein Bau aus Steinen und Stahl, mit einer riesigen Fensterfront an der Nordseite. „Das ist die Seite mit dem neutralsten Licht, um die mich jeder Maler beneiden muss.“
Hans Werner Thurmann hat mehr als 1000 Bilder gemalt: „Blick Richtung Baerler Brücke“, „Kuhle bei trübem Wetter“, zum Beispiel. Ein Heimatmaler also? Nein. Ein Niederrhein-Maler? Nicht zwingend. „Mir geht es um den Transport von Gefühlen über die Farbe, und dazu benutze ich die Natur.“ Ein Journalist hat ihn mal den „Claude Monet des Niederrheins“ genannt. Einen solchen größenwahnsinnigen Vergleich würde er selbst nie ziehen. Sicher, Thurmann bekennt sich zu der Traditionslinie des französischen Impressionismus, zur Naturmalerei. Doch er weigert sich, ein „Spät-Impressionist“ zu sein.
In den Schubladen seiner Atelierschränke lagern Skizzen und Zeichnungen seiner Studienzeit. Frauenakte, Gegenstände, viele Bäume. „Die Naturerfahrung ist Grundlage meiner Idee. Von Joseph Beuys habe ich gelernt, mich ganz auf Dinge einzulassen“, sagt er.
Hartnäckig hält er an seinem Konzept fest, überlässt sich der Natur. Anfangs zog er mitsamt Staffelei hinaus, nun reicht ihm unterwegs ein Skizzenblock. Zurück in seinem Atelier gibt er dann die Details des Gesehenen auf und vereinfacht die Formen aufs Wesentliche – bis die Gegenständlichkeit verschwimmt.
Hans Werner Thurmann malt keine Abbilder, sondern Sinnbilder. Oder, wie ein Kritiker mal formulierte: „Es sind Bilder zum Nachfühlen, nicht zum Nachdenken.“
Ateliertage bei HW Thurmann, Hoffnungsstraße 4, Moers: 28. November, 5. und 12. Dezember, 11 bis 13 Uhr
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