14.04.2016 NRZ-Bericht „Das Nordlicht“

Ingo Plaschke

Ein Maler, ein Atelier, viele Bilder. Hans Werner Thurmann aus Moers in seinem „Arbeitsraum“, wie er selbst sagt. Foto: Christoph Karl Banski / FUNKE Fo

Ein Maler, ein Atelier, viele Bilder. Hans Werner Thurmann aus Moers in seinem „Arbeitsraum“, wie er selbst sagt. Foto: Christoph Karl Banski / FUNKE Fo

Moers.   Zu Gast bei Hans Werner Thurmann in Moers. Im Atelier des Landschaftsmalers entstehen Bilder zwischen Gefühlen und Gegenständlichkeit

Auf der großen Staffelei: ein Bild, das genauso überraschend wie unfertig ist. Zu sehen ist ein Meerbild in Moll. Seichtes Wasser, leichte Wellen, sanftes Land. „Ich habe gerade erst angefangen“, sagt Hans Werner Thurmann. Soll heißen: Das Bild ist noch lange nicht fertig, also noch gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Bild: Ein Stillleben aus dem Hause Thurmann, das nach Handwerk aussieht - und der Eindruck täuscht auch nicht.

Ein Stillleben aus dem Hause Thurmann, das nach Handwerk aussieht – und der Eindruck täuscht auch nicht.

Andererseits: HW Thurmann ist keiner jener empfindsamen Künstler, die sich in einer Dunkelkammer verkriechen und abschotten von der Welt – um dann irgendwann mit ihren fertigen Werken vor das große Publikum zu treten. Dieser Mann ist zwar ein durch und durch eigenwilliger Landschaftsmaler, dabei aber angenehm bodenständig und ernsthaft kommunikativ ist.

Immer im Winter, kurz vor Weihnachten, öffnet der freischaffende Maler, der vielleicht auch Bildhauer hätten werden können, immer sein Atelier. „Jahresausstellung“ nennt er diese Wochen, in denen er seine neuesten Arbeiten zeigt. „Einmal habe ich mir vorher ein Bild von der Staffelei reißen lassen“, erzählt er und ärgert sich noch heute, „denn es war noch nicht richtig fertig“.

Nun also die Bretagne, weichgezeichnet. Für Menschen, die die Kunst des Hans Werner Thurmann kennen, schätzen und kaufen, stellt dieses Bild eine kleine Überraschung dar. Nicht wegen des Stils, den der Mittsechziger immer weiter entwickelt: eine Mischung aus Abstraktion und Gegenständlichkeit, ein Wechselspiel aus Farben und Gefühl. Seine Ölbilder sind verschwommene Augen-Blicke, die mit viel Herz, dann mit Hirn zu begreifen sind.

Nein, es ist das Motiv, das ein wenig überraschend ist. In der veröffentlichten Meinung, die ja nicht immer der öffentlichen Wahrnehmung entsprechen muss, gilt Hans Werner Thurmann als ein Niederrhein-Maler – jedoch ohne dabei ein klassischer Feld-, Wald- und Wiesen-, kurz ein Heimatmaler zu sein. Letzteres möchte er auch nicht, absolut nicht.

Jetzt malt er die französische Atlantikküste statt einer „Kuhle im Gegenlicht“ oder eines „Spätnachmittag auf der Bergehalde“. Dazu muss man wissen: Vor ein paar Wochen besuchte er gemeinsam mit seiner Frau Maria seine Cousine in der Ferne – aber was ist schon privat, wenn man seit nunmehr 38 Jahren als Selbstständiger seine Brötchen verdienen will? Hinzu kommt: HW Thurmann bekennt sich zu der Traditionslinie des französischen Impressionismus, zur Naturmalerei. Allerdings weigert er sich, ein Spät-Impressionist zu sein, die plakative Bezeichnung eines Journalisten als „Claude Monet des Niederrheins“ würde er niemals selbst verwenden, und als der Autor dieser Zeilen ihn mal als eine „Lichtgestalt“ titulierte, fand er das immerhin amüsant.

„Die Naturerfahrung ist Grundlage meiner Idee. Von Joseph Beuys habe ich gelernt, mich ganz auf Dinge einzulassen“, erklärt er. Zwischen 1970 und 1978 studierte er an der Kunstakademie in Düsseldorf, seinen Abschluss machte er schließlich bei Professorin Rissa – und arbeitete lange Jahre gegen den Trend.

Landschaftsmaler: Diese Berufsbezeichnung war mehr als verpönt, als er damit anfing. Früher zog er tatsächlich mit Skizzenblock und Bleistift ins Grüne oder ans Blaue, setze sich hin und zeichnete vor Ort seine Eindrücke auf Papier.

Heute handwerkt er in seinem Atelier, das er sich vor elf Jahren neben das Elternhaus bauen ließ, in das die Thurmanns damals einzogen. „Mein Arbeitsraum“ nennt er das 50 Quadratmeter große Häuschen aus Ytong-Steinen, Stahlgerüst und mit Flachschrägdach. Der Clou, „mein Lebenstraum“: die riesige Fensterfront auf der Nordseite.

Erst mit Sinn, dann mit Verstand

Maler wissen das natürlich: „Nordlicht ist das neutralste Licht. Im Norden steht nie die Sonne. Deshalb stören mich keine Farbverfälschungen bei der Arbeit“, erklärt Hans Werner Thurmann.

Morgens um kurz nach Acht sitzt oder steht er in seinem weißen Kittel vor der oft großformatigen Leinwand auf der Staffelei. Um in die richtige Stimmung zu kommen, lässt er manchmal sein olles Kofferradio laufen: Klassik von WDR 3 oder Klaviermusik vom Kassettendeck. „Anregend und entspannend zugleich“, findet er das.

Eigentlich klingt die Musik so wie seine Bilder aussehen. „Es sind Bilder zum Nachfühlen, nicht zum Nachdenken“, formulierte einst ein Kritiker. Dazu passt der Spruch, der auf einem Schild neben der Toilette hängt: „Die meisten Fehler passieren zwischen den Ohren.“ Dieses unbekannte Zitat darf guten Gewissens auch als ein Mutmacher verstanden werden. Man darf sich der Kunst des Hans Werner Thurmann ruhig erst über die eigene Gefühle, nicht nur über den Kopf nähern.

Versuchen Sie es doch einmal…

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